Herren von Gemmingen

Erstmalige Erwähnung: Der 1165 erwähnte Heinrich (Henricus) gilt heute als der älteste gesicherte Verwandte

Beschreibung:
Die Familie von Gemmingen geht auf ein reichsunmittelbares alemannisches Rittergeschlecht zurück, das seinen Stammsitz im Ort Gemmingen im Kraichgau hatte. Die seit dem hohen Mittelalter urkundlich belegte Familie zählt zu den verzweigtesten deutschen Adelsgeschlechtern überhaupt, mit weit verstreutem Besitz im Kraichgau, im Odenwald, in Schwaben und Franken und darüber hinaus. Als Reichsfreiherren übten sie die Gerichtsbarkeit über ihre Territorien aus, die sie teils als Allodialbesitz, teils als Lehen anderer Fürsten besaßen. Die Güter der Familie bildeten jedoch kein geschlossenes Territorium, sondern waren in Streubesitz verteilt und wurden oft als Kondominat oder Ganerbe verwaltet. Im 14. Jahrhundert teilte sich die Familie in zwei heute noch bestehende Stämme, die sich nach ihren am Neckar liegenden Burgen Gemmingen-Guttenberg und Gemmingen-Hornberg nennen.

Herren von Gemmingen

Die Familie stellte im 16. und frühen 17. Jahrhundert die Bischöfe Johann Otto von Augsburg, Johann Konrad von Eichstätt und Uriel von Mainz, letzterer zudem von 1508 bis 1514 Erzkanzler des Deutschen Reiches. Die Brüder Dietrich, Wolf und Philipp waren im 16. Jahrhundert maßgebliche frühe Förderer der Reformation im Kraichgau. Die Familie stellte zahlreiche Kammerherren, Hofräte und hochrangige Militärpersonen an den Höfen Badens, der Pfalz, Württembergs, Brandenburg-Ansbachs und weiterer Herrschaften. Sie gehörte dem Ritterkanton Kraichgau und dem Ritterkanton Odenwald an. Reinhard von Gemmingen-Hornberg († 1750) war Generaldirektor der drei Ritterkreise, Philipp von Gemmingen († 1785) Direktor des Ritterkantons Kraichgau und Karl Friedrich Reinhard von Gemmingen († 1822) letzter Generaldirektor der Reichsritterschaft. Eberhard Friedrich von Gemmingen († 1791) war württembergischer Regierungspräsident. Im 19. Jahrhundert war die Familie in der I. Kammer der Badischen Ständeversammlung und in den Württembergischen Landständen vertreten. Musisch bekannt geworden sind der Komponist Ernst von Gemmingen-Hornberg († 1813) und der Schriftsteller Otto Heinrich von Gemmingen-Hornberg († 1836). Mitglieder der Familie haben auch über das Ende der Monarchie hinaus bedeutende Positionen erreicht. Ein bedeutender Vertreter der Gegenwart ist Eberhard von Gemmingen, der langjähriger deutscher Leiter von Radio Vatikan war. Die Familie hat weiterhin großen Landbesitz und ihr gehören heute noch mehrere Burgen und Schlösser. In sehr alten Gemmingenschen Familienchroniken werden Vorfahren bis in die Merowingerzeit um 600 aufgelistet, später sogar, einem Modetrend folgend, bis in die Römerzeit, und das damals als fränkisch vermutete Geschlecht wurde in ein vornehmes römisches gedeutet. Letzteres wie auch der Versuch, eine Beziehung zu einem Ort Gemmingen in Friesland herzustellen, werden aber in jüngeren Darstellungen als unhaltbar betrachtet. Der Pfarrer Carl W. F. L. Stocker, Nachfahre des Fürfelder Zweigs der Familie, sieht die Herren von Gemmingen in seiner zuletzt überarbeitet 1895 erschienenen Familienchronik als urgermanische Familie, deren Häupter an der Spitze eines größeren Stammes standen, sich in Krieg und Frieden hervortaten und solchen Einfluss erlangten, dass ihnen die Gegend um Gemmingen als Beute zugewiesen wurde, als das Land in "deutschen" Besitz kam. Weiter führt er aus, dass nach der Unterwerfung der Alamannen durch die Franken es wahrscheinlich sei, dass einige alamannische Geschlechter, so auch die Gemmingen, sich in das fränkische Reich hinüberretteten, wo sie Würde und Bedeutung behielten und spätestens durch Frankenkönig Dagobert I. im frühen 7. Jahrhundert Besitzungen erhielten. Stocker bezieht sich weiter auf ein "Traktat des Pfarrherrn aus dem Ulmischen", das Reinhard dem Gelehrten bei der Verfassung seiner Familienchronik 1631 noch vorlag, mittlerweile (1895) aber nicht mehr auffindbar sei und sieht einen Bodo als ersten erwähnten Gemmingen. Johann Brandmüller bezeichnet die Familie Gemmingen in seinem Lexikon von 1726 als uraltes adeliges Geschlecht am Rhein, in Franken und in Schwaben. Als ersten greifbaren Urahn sieht er einen Ulrich im Schloss Gemmingen in der unteren Pfalz, der den Stammsitz seiner Vorfahren um 872 besessen und Kloster Murrhardt reich beschenkt habe und nach anderen Quellen dort auch begraben sein soll. Brandmüller weist danach auf einen Bernolph in Merseburg um 968 hin und erwähnt einen Henricus, der 1165 an einem Turnier in Zürich teilgenommen habe. Er gibt zu bedenken, dass wie vielfach in Turnierbüchern die Jahresangabe möglicherweise nicht stimme. Der 1165 erwähnte Heinrich (Henricus) gilt heute als der älteste gesicherte Verwandte. Am Reichstag in Worms 1182 habe Kaiser Barbarossa Ulrich und Bernolph in den Herrenstand erhoben. Bereits in diesem Jahr könnte die Familie den Reichsfreiherrenstand erlangt haben. 1191 erscheint ein Gottfried von Gemmingen als Abt zu Schonau. 1233 wurden Hertlieb und Albert de Gemmingen urkundlich erwähnt. Ausgehend von den frühen Vorfahren entwickelte sich eine Vielzahl Linien. Die heute noch bestehenden Stämme führen sich bis auf Hans von Gemmingen zurück, der 1259 als kaiserlicher Landvogt zu Sinsheim erscheint. Auch die Freiherren von Massenbach sind mutmaßlich ein Gemmingenscher Zweig. Beide Familien wissen um ihre Verwandtschaft und führen auch das gleiche Wappen. Ihr Stammvater ist ein um 1285 erwähnter Heinrich von Gemmingen, der sich später von Massenbach nannte. Er war ein Sohn des Schelperus, dessen Verwandtschaft mit dem 1259 erwähnten Hans nicht mehr geklärt werden kann. Die Söhne des 1259 erwähnten Vogtes Hans begründeten jeweils eigene Familienlinien, wobei die von Dieter (erw. 1274/1283) ausgehenden Maier von Wössingen, Herren von Hoven (eine frühe Seitenlinie in Hoffenheim) und Giener von Sinsheim sowie die von Schweiker († 1297) begründeten Velscher und Kriegen von Stebbach zwischen 1460 und 1552 allesamt wieder erloschen. Unter den Nachkommen von Hans’ Sohn Albrecht (erw. 1268/77) bildeten sich vier Hauptlinien heraus, die nach ihren Stammsitzen benannt werden. Die Familie war bereits an ihrem Stammsitz in Gemmingen weit verzweigt. Dort bestanden schon im 13. Jahrhundert drei Gemmingensche Burgen. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die älteste und die jüngste der Burgen zerstört, so dass heute nur noch das 1592 erneuerte Unterschloss im Ort erhalten ist. Wenig außerhalb Gemmingens befindet sich mit Burg Streichenberg ein weiterer mittelalterlicher Gemmingenscher Burgbau, der jedoch schon bald in den Besitz anderer Geschlechter gelangte. Die Familie gedieh und erwarb durch Kauf, Heirat und Pfandschaften zahlreiche Güter und Rechte an anderen Orten. Der Stammsitz in Gemmingen wurde durch die von Wolf von Gemmingen 1521 gegründete Lateinschule Gemmingen im 16. Jahrhundert zu einem Zentrum der Bildung, verlor jedoch für die Entwicklung der Familie bald seine herausragende Bedeutung gegenüber anderen gemmingenschen Sitzen wie Guttenberg, Hornberg, Bürg, Bonfeld, Michelfeld oder Steinegg. Das gesellschaftliche Vorankommen der Familie war auch weniger an den jeweiligen Grundbesitz, sondern vielmehr an das Beziehungsgeflecht mit den Herrscherhöfen der jeweiligen Zeit in der Pfalz, Baden und Württemberg sowie mit den Bistümern in Speyer, Mainz, Eichstätt und Augsburg gebunden. Aus dem stark zersplitterten Besitz konnte sich allerdings kein Flächenterritorium entwickeln, vielmehr entstand ein Flickenteppich an Gütern und Rechten mit Schwerpunkt im äußerst kleinteilig gegliederten Kraichgau sowie im Odenwald (Fränkisch-Crumbach), im Neckartal (Burg Guttenberg mit Neckarmühlbach, Burg Hornberg mit Neckarzimmern), an Sulm (Eschenau, Lehrensteinsfeld), an der Jagst (Widdern) und Kocher (Bürg, Presteneck), im Mainhardter Wald (Maienfels), im Biet bei Pforzheim (Tiefenbronn, Steinegg, Gernsbach), in der Südpfalz (Billigheim, Ingenheim) und im Spessart (Unterbessenbach). Zum kleineren oder kurzzeitigen Besitz an vielen anderen Orten zählen z. B. der Walderdorffer Hof in Bensheim, der Gans’sche Adelshof in Umstadt oder der Lautenbacher Hof bei Oedheim. Die Familie hatte außerdem von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts auch verschiedenen Besitz im Thurgau (Weinfelden, Liebenfels). Die Gemmingen gehörten früh der Gesellschaft mit dem Esel und später dem Ritterkanton Kraichgau, dem Ritterkanton Odenwald und dem Ritterkanton Neckar-Schwarzwald an. 1560 wurde die Familie von Kaiser Ferdinand I. in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Anlässlich der Ernennung von Otto Heinrich Reichsfreiherr von Gemmingen zu Hornberg 1765 zum "wirklichen Geheimrat mit dem Rang gleich nach dem Generalfeldmeister" schreibt der Kaiser in der Ernennungsurkunde:…er (Gemmingen) gehöre zu einem uralten, reichsstiftsmäßig bestverdienten Geschlecht, welches unter die Dynastien gehöre und unter anderem Anfang des 16. Jahrhunderts einen Kurfürsten in Mainz, einen Fürsten von Augsburg und einen Fürsten von Eichstätt zählte und …. welche sämtlich gegen allerhöchst deroselben glorreichste Vorfahren am heiligen römischen Reich und das durchlauchteste Erzhaus Österreich mittels ihrer ständig bewiesenen Treue und Ergebenheit zu deren unsterblichen Ruhm sich ganz ausnehmende Verdienste erworben haben. Nach der Mediatisierung der Ritterschaft waren die Gemmingen ab dem frühen 19. Jahrhundert als feste Mitglieder in den Württembergischen Landständen und der Badischen Ständeversammlung vertreten und bekleideten weiter hohe Ämter am badischen und württembergischen Hof. Über die Ablösung der grundherrlichen Rechte im Verlauf des 19. Jahrhunderts und über das Ende der Monarchie hinaus blieb die Familie einflussreich aufgrund ihres Land- und Güterbesitzes oder aufgrund der Stellung einzelner prominenter Vertreter. Heute fasst man die Fami-lie in zwei Stämme zusammen, Stamm A (Hagenschieß/Steinegg, Gemmingen / Guttenberg), die Guttenberger (nach Burg Guttenberg) und Stamm B (Treschklingen, Babstadt, Neckarzimmern), die Hornberger (nach Burg Hornberg). Diese Stämme verzweigen sich bis heute jeweils in viele Linien und diese wiederum in viele Äste. Die mehr als 200 heutigen Familienmitglieder sind im 1922 gegründeten "Familienverband Gemmingen e. V." organisiert, der in zweijährigem Turnus Familientage abhält.

Wappen
Wappen der Gemmingen

Wappen der Gemmingen aus dem Familienarchiv (Bild: Autor unbekannt - Bild: Familienarchiv)

Blasonierung: In Blau zwei goldene Balken. Auf dem Helm mit blau-goldenen Decken stehen zwei wie der Schild bezeichnete Büffelhörner. In der Zürcher Wappenrolle erscheint es als goldener Schild mit blauen Balken. Einige Ortswappen lassen heute noch durch ihre blau-gelbe Komposition den einstigen Gemminger Besitz erkennen. Die Ortswappen in ihrer heutigen Gestaltung wurden von der Generaldirektion des Landesarchivs Baden-Württemberg im 20. Jahrhundert festgelegt und greifen dabei oft auf das Wappen des jeweiligen Ortsadels zurück.

Unterschloss

Das Unterschloss ist das letzte von einstmals drei Schlössern des Ortes, die im hohen Mittelalter als frühe Herrensitze der Herren von Gemmingen errichtet wurden (Bild: Peter Schmelzle)

Stammsitz: Gemmingen

Besitzungen in der Region Heilbronn-Franken:
Rappenau (Schloss, Treschklingen, Wasserschloss Bad Rappenau Oberschloss und Unterschloss Bonfeld, Schloss Babstadt, Fürfeld, Wollenberg), Adersbach, Siegelsbach, Hüffenhardt, Schloss Ittlingen, Hoffenheim, Michelfeld, Eschenau, Schloss Lehrensteinsfeld, Widdern Bürg, Presteneck, Maienfels, Lautenbacher Hof bei Oedheim. Burg Streichenberg, Schloss Bürg, Burg Maienfels, Schloss Eschenau, Schloss Presteneck, Gemmingensches Schloss in Widdern, Unteres Schloss Talheim, Schloss Lehen.

(Quelle: Seite "Gemmingen (Adelsgeschlecht)". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Februar 2021)