Die freie Reichsritterschaft in Deutschland gliederte sich seit dem 16. Jahrhundert in einen rheinischen, einen fränkischen und einen schwäbischen Ritterkreis, die sich wiederum aus verschiedenen Kantonen zusammensetzten. Der Ritterkanton Odenwald gehörte dem fränkischen Ritterkreis an. Im Norden und nach Osten war er den fränkischen Ritterkantonen Rhön-Werra, Steigerwald und Altmühl benachbart. Südlich und westlich war er an die schwäbischen Ritterkantone Kocher und Kraichgau angrenzend. Der Kanton hatte seine Wurzeln in älteren ritterlichen regionalen Vergesellschaftungsformen, wohl besonders auch der Gesellschaft mit dem Esel. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts organisierte sich dann auch ein Ritterkanton im Raum Odenwald zum Zweck der eigenständigen Verwaltung der seit 1542 auch dem Ritteradel abverlangten Steuern, bis sich mehrere Kantone bis 1562 (mit Verzögerung der schon vorher gegründeten schwäbischen Kantone) in der fränkischen Reichsritterschaft zusammenfanden. Sich konfessional bis zum Augsburger Religionsfrieden eher bedeckt haltend (da die meisten Gebiete der Odenwälder Ritterschaft der Zenthoheit benachbarter Fürsten unterworfen waren), stand danach die große Mehrheit lutherisch. Durch Konversionen kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu einer Durchmischung (ein Zweig der Adelsheim bekannte sich zum Calvinismus, die Stetten zu Kocherstetten wurden im 16. Jahrhundert Anhänger des Theologen Matthias Flacius, die Aschhausen zu Aschhausen wurden nach 1581 wieder katholisch), doch blieb die Mehrheit lutherischen Glaubens. Erster Sitz der Kanzlei des Kantons war Mergentheim. Um 1720 erhielt der Ritterkanton Odenwald vom Rat der Stadt Heilbronn die Erlaubnis, sein Archiv und seine Kanzlei in die Reichsstadt zu verlegen, in der sich damals bereits seit rund 100 Jahren auch die Verwaltung des Ritterkantons Kraichgau befand. Infolge der Verlegung der Kantonsverwaltung unter Ritterhauptmann Reinhard von Gemmingen-Hornberg (1677-1750), der dem Kanton seit 1715 vorstand, wohnten ritterschaftliche Bedienstete in der Reichsstadt und hatten dort, wie auch die Bediensteten des Kantons Kraichgau, zunächst vier, später acht Gulden Schutzgeld je Familie zu entrichten. Zu den hohen Kantonsbediensteten jener Zeit zählte der Rechtskonsulent August Wolfgang von Kinckel (1710-1768). Bis zur Verlegung nach Kochendorf, war danach auch Adelsheim mehrfach Tagungsort und zeitweise Sitz der kantonalen Verwaltung, da es in Heilbronn immer wieder zu Konflikten mit dem reichsstädtigen Rat kam. Unter Kantonsdirektor Meinhardt Friedrich Franz Rüdt von Collenberg (1720–1789) erwarb der Ritterkanton 1762 Besitz in Kochendorf und verlegte seine Kanzlei 1764 dorthin. Der Ritterkanton trachtete danach, in Kochendorf auch den Blutbann, d. h. die hohe Gerichtsbarkeit zu erlangen, die vom Kaiser jedoch an die Besitzer des dortigen Schlosslehens, die Nachfahren Reinhard von Gemmingen-Hornbergs, vergeben war. Verbunden mit der Übersiedlung des Ritterkantons nach Kochendorf wurde dort zur Unterbringung der zu den mehrwöchigen Konventen am Ort weilenden 30 bis 50 Reichsritter 1761 bis 1764 der nach dem Kantons-Syndikus Georg David Jäger (1712-1779) benannte Syndikus Jägersche Bau errichtet. Jäger wurde in die Finanzmisere des 1777 zurückgetretenen Kantonshauptmanns Rüdt von Collenberg verwickelt und veröffentlichte daraufhin die Schrift Unterricht an das Publikum, in der er Intrigen und Bestechungen innerhalb des Ritterkantons bloßstellte. Unter Rüdt von Collenbergs Nachfolger Philipp von Gemmingen (1702–1785) aus dem Guttenberger Ast der Freiherren von Gemmingen gelang es dem Ritterkanton 1784, die hohe Gerichtsbarkeit über Kochendorf zu erlangen. Philipps Neffe Karl Friedrich Reinhard von Gemmingen (1739-1822) war von 1785 an bis zur Mediatisierung der Reichsritterschaft der letzte Kantonsdirektor und Generaldirektor der Reichsritterschaft. An der Spitze stand normalerweise ein auf Lebenszeit gewählter Ritter. Diesem stand ein Ritterat von sechs ebenfalls auf Lebenszeit bestimmten Rittern zur Seite. Zwei sogenannte Truhenmeister (Einnehmer) besorgten die Einziehung der Steuern. Das Personal, Syndici genannt, waren in der Regel Bedienstete. Für spezielle Aufgaben wurden zeitlich befristete Ausschüsse gebildet. Die Ritter- oder Ortstage, die ordentlichen Versammlungen der Ritterschaft, fanden anfangs an den Kanzleisitzen, später an wechselnden Orten, zweimal im Jahr statt. Schon seit dem Winter 1802/1803 hatten die großen Territorialstaaten Bayern und Württemberg (1804 auch die Fürsten von Leiningen, Hohenlohe und zu Löwenstein) versucht, im sogenannten Rittersturm sich der benachbarten meist zersplitterten und kleinen Gebiete der Reichsritter zu bemächtigen. Ab 1806, obgleich der Reichsdeputationshauptschluss diese nicht vorgesehen hatte, erfolgte dann die endgültige Mediatisierung. Die Rheinbundakte sanktionierte in Artikel 25 diese einseitigen Maßnahmen. Archiv und Registratur des Ritterkantons wurden von Württemberg beschlagnahmt und befinden sich heute im Staatsarchiv Ludwigsburg.